MIT BIG DATA KOMPLEXEN WECHSELWIRKUNGEN IN DER GESUNDHEIT VON MILCHKÜHEN AUF DER SPUR

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EINE VIELZAHL VON FAKTOREN WIRKT AUF DIE GESUNDHEIT VON NUTZTIEREN. ABER WAS WIRKT WO WIE STARK?

© Lasser et al. 2021

Gesundheit ist ein multifaktorielles Geschehen. Wie komplexe, wechselwirkende Zusammenhänge sinnvoll aufgelöst werden können, um zu individuellen Handlungsempfehlungen zu gelangen, wurde in D4Dairy untersucht. In einem weltweit einmaligen Datensatz konnten Daten von fast 500 Betrieben und 70.000 Kühen zusammengetragen werden. Je nach Betrieb beinhaltet dies umfangreiche Gesundheitsdaten jeder einzelnen Kuh über Stall- und Haltungsbedingungen bis hin zur Art des Futters, Melkmethoden oder Häufigkeit der Klauenpflege. Für fast 1.000 Kühe lagen überdies Sensordaten vor.

Für die sinnvolle Gliederung dieser Fülle unterschiedlichster Informationen entwickelten wir eine neue Methode, die Machine-Learning mit statistischen Analysen verbindet. Der Algorithmus wirft fünf Cluster aus, die jeweils für eine bestimmte Art Bauernhof stehen: vom kleinen Bergbauernhof mit Almhaltung bis zum auf Hochleistung ausgerichteten größeren Milchbetrieb im heißeren Tiefland. Im nächsten Schritt erhielt jeder Bauernhoftyp ein Risikoprofil für die bei Milchkühen häufigsten Krankheiten, wie Euterentzündungen (Mastitis), bakterielle Infektionen der Gebärmutter nach der Geburt (Metritis), Stoffwechselstörungen (Ketose) oder Lahmen. In jeder Betriebsart beeinflussen unterschiedliche Bündel von Faktoren das Tierwohl. In einem Cluster mit hoch gelegenen Bergbauernhöfen sind die Tiere am gesündesten. Die meisten Probleme treten in Clustern auf, die Hochleistungsbetrieben mit reiner Stallhaltung und eingeschränkter Bewegungsfreiheit im deutlich wärmeren Tiefland entsprechen. Die Erkrankungswahrscheinlichkeit in diesen Clustern ist teilweise deutlich erhöht. Chronische Euterentzündungen etwa treten in Hochleistungsbetrieben zwei- bis dreimal wahrscheinlicher auf als auf der Alm, zu einer bakteriellen Entzündung der Gebärmutter nach dem Kalben kommt es fast fünfmal so oft. Auch das häufigere Auftreten von Stillbrunst wird durch  Stallhaltungssysteme ohne Auslauf, hohe Temperaturen (Hitzestress), energiereiche Fütterung (wie Maissilage), Herdengröße sowie milchintensive Betriebsführung begünstigt. Diese Ergebnisse können nun durch weitere Untersuchungen bestätigt und auf ihre Ursachen studiert werden.  In intensiver geführten Betrieben werden Tiere oftmals regelmäßiger untersucht. Das kann dazu führen, dass die Häufigkeit von dokumentierten Erkrankungen höher ist. Höhere Erkrankungsrisiken weisen nicht notwendigerweise auf einen schlechteren Gesundheitszustand der Tiere hin, sondern können auch auf eine genauere Überwachung der Tiergesundheit im Betrieb deuten. Um das im Detail abschätzen zu können, werden in zukünftigen Arbeiten weitere Zielgrößen wie die Lebensdauer oder andere Gesundheitsinformationen zusätzlich betrachtet.

Auf Basis der so identifizierten Risikofaktoren wurden dann Vorhersagemodelle für Tierkrankheiten entwickelt. Das Projekt konnte deutlich zeigen, dass die Datenfülle eine enorme Rolle bei der Vorhersagbarkeit von Krankheiten spielt. Unter Verwendung des gesamten integrierten Datensatzes sind wir in der Lage, Lahmheiten mit einer Genauigkeit von 73 Prozent vorherzusagen, im Gegensatz zu knapp 50 Prozent, wenn nur Routinedaten verwendet werden. Eine weiterreichende Analyse zeigt, dass insbesondere Informationen über die Haltungsbedingungen die Qualität des Modells verbessern.

Diese Ergebnisse bereiten den Weg dafür, dass Bäuerinnen und Bauern individualisierte Vorschläge bekommen, wie sie Gesundheit und Tierwohl in ihrem Betrieb verbessern können – seien das andere Futtermischungen, die Verbesserung von Liegeflächen oder Maßnahmen gegen die durch die Klimaerwärmung zunehmende Hitze im Stall, unter der die Tiere besonders leiden.

Kontakt: Prof. Prof. Peter Klimek, Medizinische Universität Wien und Complexity Science Hub, klimek@csh.ac.at

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