STOFFWECHSEL-INDEX FÜR DIE RINDERZUCHT
von Kristina Linke (Kommentare: 0)
Lange Zeit waren lediglich Leistungsmerkmale wie Milchproduktion im Fokus der Tierzucht und es konnten große Zuchterfolge bei diesen Merkmalen verzeichnet werden. Diese einseitige Zucht auf Leistung wirkte sich jedoch zunehmend negativ auf Fruchtbarkeit, Gesundheit und Nutzungsdauer aus, weshalb vermehrt Fitness- und Gesundheitsmerkmale ihre Berücksichtigung im Zuchtziel fanden.
Ketose, eine wichtige Stoffwechselerkrankung, entsteht, wenn der Energiebedarf der Kuh die Energieaufnahme übersteigt, was zu einer negativen Energiebilanz und folglich auch zu einer starken Mobilisierung von Körperreserven führt. Das Risiko eine Ketose zu entwickeln, besteht besonders zu Beginn der Laktation, wenn die Futteraufnahmekapazität noch nicht an den erhöhten Nährstoffbedarf angepasst ist. Neben einem guten Management wäre es auch aus züchterischer Perspektive interessant, auf stoffwechselstabilere Tiere selektieren zu können. Tierärztliche Diagnosen einer klinisch manifesten Ketose, die bereits routinemäßig erfasst werden, sind sehr selten und stellen deshalb eine große Herausforderung für die züchterische Bearbeitung dar. Demgegenüber steht die subklinische Ketose, bei der bereits eine Störung des Stoffwechsels vorhanden ist, die sich allerdings (noch) nicht in klinischen Symptomen äußert. Daher werden sogenannte Hilfsmerkmale für die Ketose gesucht. Hilfsmerkmale sind dadurch gekennzeichnet, dass sie mit dem Zielmerkmal in einer starken Beziehung stehen (genetische Korrelation), allerdings weitaus einfacher und kostengünstiger zu erheben sind und im Idealfall auch eine höhere Erblichkeit aufweisen. Hilfsmerkmale für Ketose sollten außerdem noch Informationen über subklinische Fälle geben können. Doch welche Merkmale kommen dafür in Frage?
Potenzielles Hilfsmerkmal für Ketose aus D4Dairy ist beispielsweise die höhere Konzentration von Ketonkörpern, z.B. Betahydroxybutyrat (BHB), im Blut oder in der Milch. Mit Hilfe von Schnelltests (Ketotest) kann die BHB-Konzentration gemessen oder über Mid-infrarot (MIR) Spektren der Milch (KetoMIR) geschätzt und dadurch das Vorliegen einer (subklinischen) Ketose erfasst werden. Auch dem Verhältnis von Fett und Eiweiß in der Milch konnte in Studien ein Zusammenhang mit Ketose nachgewiesen werden. Der zunehmende Einsatz von automatischen Melksystemen (AMS) und Sensortechnik auf österreichischen Milchviehbetrieben macht die dort erzeugten Daten auch als Informationsquelle für potenzielle Hilfsmerkmale für die Zucht interessant. Sensoren, welche mittels eines Halsbandes, eines Bolus oder einer Ohrmarke direkt am Tier angebracht werden, können Aktivität, Wiederkauen oder auch Temperatur im Pansen messen. Der kontinuierliche Datenfluss liefert Informationen in Echtzeit und kann bei Abweichungen Alarme auslösen, um Probleme bereits frühzeitig erkennen und entsprechend handeln zu können. Zur Ermittlung des Potentials dieser Sensorinformationen wurden auf 99 Pilotbetrieben, welche bereits mit Sensorsystemen und teilweise AMS ausgestattet waren, zwischen Jänner 2020 und März 2021 umfassend Daten erhoben.
Index für Stoffwechsel
Basierend auf den geschätzten Erblichkeiten und genetischen Korrelationen stellen manche der untersuchten Merkmale vielversprechende Hilfsmerkmale für Ketose dar. Vorerst ist geplant, dass drei dieser Hilfsmerkmale – Ketotests, KetoMIR, Verhältnis Fett:Eiweiß – zusammen mit tierärztlichen Diagnosen in einem Index für Stoffwechsel in der Zuchtwertschätzung (ZWS) berücksichtigt werden. Aktivitätsmerkmale aus den Sensordaten können basierend auf diesen Schätzungen auch als potenzielle Hilfsmerkmale angesehen werden, dennoch sollten sie noch an größeren Datensätzen überprüft sowie deren Beziehung zu wichtigen Fitnessmerkmalen abgeschätzt werden. Die steigende Anzahl an Daten und die Verwendung aktueller Methoden in der ZWS (Single Step, Genomik), lassen eine zeitnahe Umsetzung und somit auch Zuchtfortschritt in Richtung stoffwechselstabilere Milchkühe erwarten.
Kontakt: Priv.-Doz. Dr. Birgit Fürst-Waltl, Institut für Nutztierwissenschaften, BOKU, birgit.fuerst-waltl@boku.ac.at